Abbildungen: Kristina Berning, Echo & Raukan, 2020
Fotos: Heiner Lieberum
www.kristina-berning.com
Kristina Berning
ECHO & RAUKAN
Lichthaus Arnsberg
11. Juli – 5. September 2020
Der Fachdienst Kultur der Stadt Arnsberg und der Kunstverein Arnsberg freuen sich, das Lichthaus in diesem Sommer mit der Ausstellung „Echo & Raukan“ von Kristina Berning zu eröffnen.
Mitten im Klosterhof Wedinghausen lässt die aus Nordrhein-Westfalen stammende Künstlerin die Illusion von kühlem und unerreichbarem Nass entstehen. Berning verwandelt den Innenraum des Lichthauses in eine unwirkliche Landschaft: Hinter den Glaswänden wachsen Felsgebilde aus einer spiegelnden Fläche empor und durch ihr Spiegelbild zugleich hinab. Kommt der Betrachtende näher heran, wird er selbst zum Teil des Ensembles.
Im Lichthaus sind hauptsächlich Arbeiten aus der Werkserie „Digging Sculptures“ zu sehen, die für Berning in engem Zusammenhang mit einer Reise zur schwedischen Insel Gotland stehen. Die Ostsee-Insel wird kontinuierlich aus dem Meer gehoben, wobei die Brandung seit 490 Millionen Jahren herauswachsende Felsen umspült und bearbeitet. Nur einzelne Felstürme, die sogenannten Raukar, konnten den Meeresgewalten widerstehen. Sie formen surreale Landschaften und hüten wie einsame Riesen den Strand.
Auf Gotland beginnt die Künstlerin Tonblöcke auszuhöhlen. Sie gräbt sich mit bloßen Händen in das Material und wiederholt damit, ohne die geologischen Formationen nachahmen zu wollen, den Gestus der Wellen. Berning lässt Plastiken entstehen, die sich weniger als Ausdruck absoluten Formwillens, sondern vielmehr als künstlerische Aneignung eines formgebenden Prozesses, nämlich der Abtragung und Erosion verstehen lassen. Die blind produzierten Hohlräume gießt die Künstlerin mit Gips aus. Bei den „Digging Sculptures“, die nun im Lichthaus zu sehen sind, handelt es sich um eben diese Abgüsse. Sie verweisen noch immer auf ihren menschgemachten Ursprung: Nicht nur die Fingerspuren der Künstlerin, auch ihre körperlichen Dimensionen haben sich den Skulpturen eingeschrieben. So entspricht ihre durchschnittliche Höhe von circa 80 Zentimetern der Länge eines Armes und damit der maximalen Tiefe, die die Künstlerin beim Aushöhlen des Tonblocks erreicht.
Der Ausstellungstitel stellt zwei der Skulpturen, „Echo“ und „Raukan“, als Protagonisten heraus. Während erstere den eben beschriebenen Prozess erkennen lässt, erhebt sich „Raukan“ weit über die übrigen Figuren und erinnert an die tatsächlichen Dimensionen der Raukar-Felsen. Der einsame Riese im Lichthaus wurde nach einem 3D-Scan der gleichnamigen „Digging Sculpture“ aus OSB-Platten gefräst. Die Künstlerin stoppte das Verfahren jedoch vor der Fertigstellung. Die Skulptur verharrt also im fragmentarischen Zustand, der die digitale Grundlage – das Konstrukt aus Bildinformationen – erahnen lässt. Erneut rückt der Prozess der Formgebung in den Vordergrund.
Als Paar zusammengefasst, rufen „Echo und Raukan“ schließlich auch mythologische Bezüge in Erinnerung. So greift die Installation ikonische Motive der unglücklichen Geschichte von „Narcissus und Echo“ auf, die der römische Dichter Ovid in seinen Metamorphosen beschreibt. Die Bergnymphe Echo hat den Zorn der Götter auf sich gezogen. Zur Strafe kann sie lediglich die Worte wiederholen, die ihr entgegengebracht werden. Als sie dem schönen Narziss begegnet, kann sie ihre Liebe nicht äußern. Von ihm abgewiesen, zieht sie sich in eine Höhle zurück und wird ganz Stimme, ihr Körper zu Stein.
Der stolze Jüngling aber wird daraufhin für seinen Hochmut bestraft. Er verfällt seinem Spiegelbild, das ihn in den Wahnsinn und schließlich in den Tod treibt.
Wie im Mythos von „Narcissus und Echo“ werden Spiegelung und Widerhall zum zentralen Motiv der Installation. In der Tat erscheinen Bernings Skulpturen, wie die versteinerte Echo, durch die von innen nach außen dringenden Fingerspuren belebt. Schließlich ermöglicht aber die Verbindung mit „Raukan“, dessen Name auf die Raukar verweist und die nordische Mythologie anklingen lässt, einen neuen Ausgang der Geschichte.
Eine Ausstellung des Fachdienstes Kultur der Stadt Arnsberg in Kooperation mit dem Kunstverein Arnsberg.
Mit freundlicher Unterstützung der Jäckering Gruppe, Hamm.
Text & Kuration: Lydia Korndörfer